Woid G'sichter: Silvia Süß und das Museumsschlösschen Theresienthal
"Ich bin immer wieder aufs Neue erstaunt, was man aus dem Rohstoff Glas alles gestalten kann", sagt Silvia Süß, während sie sich elegant durch die Räume des Museumsschlösschens im Glaspark Theresienthal am Rande der Glasstadt Zwiesel bewegt, eines der Exponate aus der Vitrine nimmt, es genauestens begutachtet - und mit einem Lächeln wieder zurückstellt.
Der Glanz der hochwertigen Gläser aus vergangenen Zeiten scheint sich auf ihre Augen zu übertragen, die zu strahlen beginnen, wenn die 53-jährige überzeugte Niederbayerin über "ihr" Museum spricht, das sich seit mehr als 30 Jahren in ihrer Obhut befindet. Ein wahres Kleinod, ein echtes Juwel der Glas-Handwerkskunst, inmitten der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald.
Das Theresienthal-Virus
"Pass mir auf mein Museum auf", soll Max Gangkofner, der Großvater des heutigen Geschäftsführers der Kristallglasmanufaktur Theresienthal zu Silvia Süß kurz vor seinem Tod, gesagt haben. Ein Auftrag, dem die gebürtige Zwieselerin bis heute mit Bedacht, viel Herzblut und persönlichem Engagement nachkommt. Ein Auftrag, den sie sich besonders zu Herzen genommen hat. Gangkofner war es, der Mitte der 70er Jahre ein Zuhause für die prachtvollen Glasobjekte der Theresienthaler Edelglasmanufaktur im Erdgeschoss des Schlösschens schuf.
Das Gebäude wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Baustil des Historismus erbaut und beherbergt heute eine der eindrucksvollsten Glassammlungen weltweit. Silvia Süß ist eine "echte Theresienthalerin", wie sie nicht ohne Stolz erklärt. Als das jüngste von vier Kindern hat sie mit 16 Jahren im Vertrieb der Glasmanufaktur angefangen - nach dem Willen des Vaters, der selbst Glasmacher im Unternehmen war. "Theresienthaler ist man nicht, das wird man", hat Senior-Chef Gangkofner zu ihr dereinst mit Nachdruck gesagt, als sie in die Verwaltung wechselte. Und genau so ist es auch bei Silvia Süß gekommen. Der "Theresienthal-Virus", wie sie es nennt, die Leidenschaft für den Rohstoff Glas, das Handwerk und die Glaskunst hat auch sie nach und nach ergriffen - und bis heute nicht mehr losgelassen.
Die Märchenkönigin
"Ich bin eine Märchentante", sagt die charismatische 53-jährige über sich selbst - und liefert sogleich die Erklärung mit dazu: "Weil ich immer versuche, den Besuchern die Geschichte der Glasexponate so bildlich wie möglich vor Augen zu führen." Zum märchenhafte Schwelgen in der Vergangenheit passt da natürlich die im Museum ausgestellte Kollektion von "Märchenkönig" Ludwig II.: ein Weinservice aus Goldrubin - das Lieblingsservice des sagenumwobenen Monarchen. Den Weg ins Museumsschlösschen, das erst mit dem 1880 angebautem Turm seinen wahren Schloss-Charakter entfaltete, finden etwa 3.500 Besucher im Jahr. Darunter sind viele Touristen aus Japan, Großbritannien oder Tschechien, wie die Leiterin weiß.
"Jede Vase, jeder Pokal, jedes Glas und jedes Service erzählt eine eigene Geschichte."
Die meisten Anfragen für eine Führung durchs Gebäude kommen aus den USA. "Die Einheimischen nehmen's nicht ganz so gut an - auch deshalb, weil viele gar nicht wissen, welches Juwel sie vor ihrer Haustüre haben", sagt Silvia Süß. Was die hiesigen Waidler jedoch immer häufiger machen, ist, sich das Ja-Wort im Schlösschen zu geben. "Hier können Verliebte heiraten wie die Glasfürsten", schwärmt die Zwieselerin vom wunderbar ausstaffierten und mit edlen Hölzern verzierten Trauzimmer. Etwa 20 bis 30 Hochzeitspaare haben in den vergangenen fünf Jahren den Bund der Ehe hier geschlossen. "Doch im Grunde sind wir hier für alles offen: fürs Heiraten, für den Geschichtsunterricht im Vereinsrahmen, für Familienfeste und Feierlichkeiten jeder Art."
Gläserne Entdeckungsreise
Individuell und maßgeschneidert möchte die Museumsleiterin auf die Wünsche ihrer Gäste eingehen, denn: "Bewegung ist in diesen Räumen für mich am schönsten." Doch im Fokus stehen freilich die Glasexponate und historischen Kollektionsmuster, darunter einzigartige Prototypen aus dem 19. Jahrhundert, die etwa für den Kaiser von Frankreich oder den russischen Zaren in Theresienthal exklusiv hergestellt worden sind. Ende des 19. Jahrhunderts sollen der Legende nach besonders filigrane Pokale von den Glasmachern aus dem Bayerischen Wald über eine Distanz von mehr als 1.000 Kilometern zum Zarenhof nach St. Petersburg transportiert worden sein - und zwar zu Fuß. Per Kraxe. "Die Leute waren gut ein Jahr lang unterwegs", berichtet Silvia Süß.
Der Zar hat um das Jahr 1880 angeblich in einer gläsernen Badewanne aus Theresienthal gebadet. "Jede Vase, jeder Pokal, jedes Glas und jedes Service erzählt eine eigene Geschichte", erklärt Silvia Süß den Besuchern bei ihren Rundgängen durchs Schlösschen, das sich seit jeher in privat-finanzierter Hand befindet. Sie will ihre Gäste mit auf eine Zeit- und Entdeckungsreise nehmen, sie neugierig machen auf die unterschiedlichen stilistischen Epochen, die sich in der Theresienthaler Glaskunst widerspiegeln. In einem der sieben Museumsräume sind etwa Jugendstil-Exponate beheimatet - in einer Variante, die ausschließlich in Theresienthal produziert wurde. Glas in Perfektion.
Das Beste aus Glas
Gefertigt in hochsensibler Filigranität. Frei nach dem Motto: Das Beste ist gerade gut genug. "Geiz-ist-geil sucht man hier vergebens", kommentiert die Museumsleiterin. "Hier geht es um Niveau, Eleganz und Charisma." Doch auch die Moderne findet ihren Platz im Museumsschlösschen: Junge, regionale wie überregionale Glas-Designer stellen regelmäßig dort aus, ebenso wahre Glaskunst-Meister wie Franz Xaver Höller oder Christian Schmidt. "Sie alle tragen dazu bei, dass die Glasmacherei nicht erlischt, dass sie auch in der Neuzeit weiterlebt", zeigt sich Silvia Süß begeistert.
Der Eintritt ins Schlösschen ist übrigens frei - "nach der Führung können die Gäste geben, was sie gerne möchten". Das Beste: "Nach der theoretischen Unterrichtung im Museumsschlösschen können die Besucher unsere Glashütte nebenan besuchen - und dadurch sogleich die handwerklich-praktische Seite der Glasmacherei kennenlernen", schlägt Silvia Süß ohne große Mühen die Brücke zur Gegenwart.