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Woid G'sicht Herbert Schreiner

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Woid G'sicht Herbert Schreiner

Frauenau. Dienst ist Dienst. Pflicht ist Pflicht. Anstehende Aufgaben werden schnellstmöglich und bestmöglich abgearbeitet. Das war bei ihm schon immer so - und wird auch immer so bleiben. Nur der Inhalt seiner Tätigkeiten hat sich verändert. Zunächst als Polizist, dann als Bürgermeister der Gemeinde Frauenau, war Herbert Schreiners Dienstherr lange Jahre der Freistaat Bayern. Nun kommen die Anweisungen nicht mehr aus Landshut oder München, sondern aus unmittelbarer Nähe - von seiner Frau, dem Sohn oder den Eltern. Sie alle wohnen unter einem Dach. Statt Fördermittel akquirieren und Sitzungen abhalten stehen nun jedoch Holz holen und Kochen auf der To-do-Liste. Der 61-Jährige ist seit Mai 2020 in Pension - und glücklicher denn je: "Mir geht's richtig, richtig gut."

Diese Aussage verwundert etwas. Den oftmals haben Menschen, die unter Dauerfeuer stehen und darüber hinaus eine gewisse Macht inne haben, Probleme damit, loszulassen, anderen das Feld - ihr Feld - zu überlassen. Herbert Schreiner kennt aus seinem Umfeld viele solcher Typen, vor allem auf politischer Ebene, die längst den richtigen Zeitpunkt für den Absprung verpasst haben.

"Auch ich war zwiegespalten. Einerseits habe ich mich darauf gefreut, endlich viel Freizeit zu haben. Andererseits hatte ich schon auch Angst davor, in ein Loch zu fallen." Mit etwas Abstand steht nun fest, dass - Gott sei Dank - ausschließlich Ersteres der Fall ist. Aus dem Workaholic ("Ich war immer erreichbar - immer") ist innerhalb von nur wenigen Monaten ein Genussmensch geworden.

"Ich war immer erreichbar - immer."

Herbert Schreiner trägt als Rentner ein bequemes Sportoutfit - ein gewöhnungsbedürftiger Anblick bei einem Mann, den man eigentlich nur in Stoffhose, Hemd und Krawatte kennt. Er hat soeben Holzscheite ins Haus gebracht, im Gang lodert ein gemütliches Feuer im Kachelofen. Seine Frau ist im Gegensatz zu ihrem Gatten noch berufstätig. Ist sie arbeiten, schlüpft das ehemalige Gemeindeoberhaupt in die Rolle des Hauswirtschafters.

"Zweimal pro Woche habe ich diese Termine", erzählt Herbert Schreiner und schmunzelt. "Dann muss ich unter anderem dafür sorgen, dass am Mittag was zu essen auf dem Tisch steht. Besser gesagt: Ich darf. Denn Kochen ist schon immer meine Leidenschaft. Nun hab ich dafür endlich Zeit."

Herbert Schreiners Alltag hat sich verändert - und zeigt, dass es der 61-Jährige geschafft hat, zu sich selbst zu finden, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen - und stressige Zeiten relativ schnell hinter sich zu lassen. "Urlaub hat es während meiner Amtszeit vor allem zu Beginn gar nicht gegeben. Erst als meine Familie gedroht hat, habe ich mir zwei Wochen pro Jahr gegönnt."

"Wenn ich gebraucht werde, bin ich immer da."

Fast wie auf Befehl klingelt das Handy. Bürgermeister-Nachfolger Fritz Schreder ist am Telefon. Schreiner erklärt ihm, er würde sich später melden. Er hätte gerade keine Zeit. "Wenn ich gebraucht werde, bin ich immer da", macht er deutlich, nachdem er freundlich aber bestimmt den Hörer aufgelegt hat. "Das ist alles sehr, sehr unkompliziert und stört mich überhaupt nicht. Ich helfe gerne. Und manchmal ist ein Anruf bei mir einfacher als ewig langes Stöbern in alten Akten."

Wenn man so will, ist Herbert Schreiner ein wandelndes Lexikon, was die Belange der Gemeinde Frauenau betrifft. Und das, obwohl er im Nachbarlandkreis Freyung-Grafenau, in Riedlhütte, zur Welt kam und erst über den Umweg Neuschönau im Grundschulalter ein echter "Auerer" wurde. "Meine Mutter hat mich bereits mit 19 Jahren bekommen und war zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit meinem Vater verheiratet. Mein Großvater war sehr konservativ, deshalb durften meine Eltern erst nach der Heirat zusammenziehen - obwohl ich schon vorher da war", begründet er die frühen Umzüge und ergänzt: "Nichtsdestotrotz hatte ich eine sehr schöne, sorgenfreie und abwechslungsreiche Kindheit."

Das erstaunliche, wenn Schreiner über seine Vergangenheit spricht: Die Daten wichtiger Ereignisse kommen wie aus der Pistole geschossen - und lassen somit keine Zweifel an ihrer Richtigkeit aufkommen.

Er war wieder dort, wo er hingehört - in Frauenau

Einen Tag, den er wohl nie vergessen wird: Der 1. März 1983. Obwohl er im Gymnasium Zwiesel an Latein "grandios gescheitert" ist, schaffte er letztlich den Schritt zur Polizei - mit dem Realschul-Abschluss. Die entsprechende Ausbildung führte ihn quer durch Bayern - und mit jedem Monat in der Fremde wurde das Heimweh größer. "Von Montag an habe ich die ganze Woche über nur an die Heimfahrt am Freitag gedacht." Die Versetzung nach Zwiesel, die an jenem 1. März ’83 vonstattenging, betrachtet Schreiner daher noch heute als eine Art Erlösung.

Er war wieder dort, wo er seiner Meinung nach hingehörte - in Frauenau. In da Au. Das gesellige Leben im Glasmacher-Ort hat es ihm seit jeher angetan. Er wollte jedoch nicht nur nehmen, sondern war auch sofort bereit zu geben - zunächst als Fußball-Abteilungsleiter und später als Vorstand des heimischen TSV.

Obwohl er den Verein über Jahre hinweg prägte, verbindet man den sportbegeisterten Fußballfan eher mit der Politik als mit der Jagd nach dem runden Leder. 1988 wurde er erstmals in den Gemeinderat gewählt - für die SPD, deren Mitglied er noch immer ist. "D'Au hat ein industrielles Herz und ist deshalb mit der Gewerkschaft und der SPD eng verbandelt", begründet Herbert Schreiner seine sozialdemokratische Gesinnung, die er trotz des schleichenden Verfalls der Partei weiterhin nicht anzweifelt. "Die SPD stellt mich immer wieder vor harte Proben - genauso wie meine Löwen." Die Rede ist vom TSV 1860 München.

"Die SPD stellt mich immer wieder vor harte Proben - genauso wie meine Löwen."

1996 wurde er zum zweiten Bürgermeister befördert - und weil sein damaliger Chef immer wieder gesundheitliche Probleme hatte, war er häufiger als amtierendes Gemeindeoberhaupt im Einsatz als gedacht. 2006 wählten in seine Mitbürger dann endgültig zum Rathauschef. "Ja, oft habe ich mich einfach nur gefragt, warum ich mir das alles antue", blickt er heute auf die vergangenen 14 Jahre in leitender Funktion zurück.

Herbert Schreiner war trotz so mancher Widrigkeiten stets gerne erster Bürgermeister. Er liebte seinen Job, den Umgang mit Menschen ("manchmal ist ein dummer Spruch das beste Mittel") und schreckte auch nicht davor zurück, Entscheidungen mit Konfliktpotenzial zu treffen. Lässt der 61-Jährige seine Amtszeit Revue passieren, sind hauptsächlich die schönen Seiten in Erinnerung geblieben.

"Wenn's um mei Gmoa geht, paktier‘ i mitn Deifi."

Wiederum ein Zeichen dafür, dass er mit diesem Kapitel innerhalb kürzester Zeit abschließen konnte. Belastende Themen wie die Finanzierungsprobleme rund um das Glasmuseum, die letztlich mit der Verstaatlichung der Einrichtung ein gutes Ende fanden, oder das Aus der Glasfabrik in seinem Heimatort, was in Frauenau zu einer regelrechten Schockstarre führte, sind aber nicht vergessen. Müssen sie ja auch nicht.

Denn Herbert Schreiner blickt auf diese Ereignisse mit dem Wissen zurück, alles in seiner Macht stehende getan zu haben. Er könne sich nichts vorwerfen, wie er betont. Und all das gehört zu seiner Biographie, deren Motto immer war: "Wenn's um mei Gmoa geht, paktier‘ i mitn Deifi."

Was der Bayerwald-Botschafter damit ausdrücken will: Ein Bürgermeister muss manchmal auch a bisserl was von einem Bazi in sich tragen, wie er es beschreibt. "Man muss nicht Everybody‘s Darling sein. Ein offener und direkter Umgang ist das A und O. Bleibt man authentisch, besteht die Gefahr erst gar nicht, sich selber zu widersprechen - und das schätzen die Bürger." Ehrlich war er auch, als es um den Tourismus im Bayerischen Wald ging. Denn viele Waidler nutzten für diese Sparte nicht nur das längst überholte Wort "Fremdenverkehr", sondern agierten auch so. Und das, "obwohl wir mit dem Nationalpark die beste Steilvorlage für eine ansprechende Vermarktung überhaupt haben".

Deshalb war und ist er ein absoluter Befürworter der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald, als deren Geburtshelfer er als langjähriger Aufsichtsratsvorsitzender fungierte. "Diesem Konstrukt haben wir es beispielsweise zu verdanken, dass wir den ersten Corona-Lockdown mit einem blauen Auge überwunden haben", verdeutlicht er - und ergänzt: "Die deutlich gestiegenen Übernachtungszahlen sind der beste Beweis dafür, dass wir mit der FNBW alles richtig gemacht haben."

Nicht nur bei diesem Thema ist Herbert Schreiner ein unterhaltsamer Gesprächspartner, der mit Argumenten und einem tiefgehendem Wissen zu überzeugen weiß. Und es gelingt ihm dabei, seinem Gegenüber nicht von oben herab zu begegnen.

Dienst ist Dienst. Pflicht ist Pflicht.

Sein Gespür für Menschen, über das er eigenen Bekundungen zufolge seit frühester Kindheit verfügt und das er als Bürgermeister weiter vertiefen konnte, scheint ihm in der Kommunikation mit anderen immer noch hilfreich zu sein.

Plötzlich wird der Pensionär jedoch etwas nervös. Ein Charakterzug, den man von ihm eigentlich so nicht kennt. Die Mittagszeit naht, er muss noch kochen. Und das geht inzwischen vor. Familienleben ist angesagt - und nicht mehr Kommunalpolitik und die dazugehörige Medienarbeit. Nichtsdestotrotz gilt für Herbert Scheiner weiterhin: Dienst ist Dienst und Pflicht ist Pflicht...